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TipTui – Performance Undercover Zürich Review Zurück zur Übersicht
TipTui – Performance Undercover
Soloperformance


Wenn Performance die Macht ist, die in der zeitgenössischen Gesellschaft Wissen und soziale Beziehungen legitimiert (Jon McKenzie), dann sind die Tuis (für Telekt-Uell-In, Bertolt Brechts Anagram für Intellektuelle) diejenigen Performer*innen, die Kunst mit Business, Sittlichkeit und Freiheit verbinden. Sie tun dies auf Zehenspitzen schleichend – on tiptoes, vielleicht ähnlich wie man sich in diese performative Ausstellung von Stefanie Knobel begibt.

Polyesterstoffe mit optisch auffälligen Digitalprints umhüllen, verschleiern und verstecken den Besucher*innen das Material, um das es eigentlich geht. Es bleibt «undercover». Stets sanft an- und absteigende Atemgeräusche lassen Fenster vibrieren. TipTui – Performance Undercover ist auch ein Versuch, dem eigenen künstlerischen Verfahren die Freiheit zu nehmen.

Vielstimmig ist demnach der Text, der als Audio erfahrbar ist und sich über die Atemgeräusche von Knobels früherer Performances legt. Darüber baut die Künstlerin einen Dialog zu ihrer mehrjährigen Recherche zu Baumwolle und deren unentwirrbare koloniale Verwicklung in die Phantasma der Moderne auf. Knobels Narration bezieht sich auf B.B. Stück Turandot oder der Kongress der Weisswäscher (1953). In einem Staat mit Baumwollmonopol sichern sich die Tuis ihren eigenen Profit, indem sie dem Volk den Ertrag des Rohstoffs durch Versteck und Lügen vorenthalten.

Als das Volk gegen die elende Lage aufbegehrt, wird das versteckte Baumwolllager von dem mit den Tuis liebäugelnden Gogher Gogh alias A.H. in Brand gesteckt. Ein Ernstfall, der ein Notfall ist: Der Brand der Baumwolle, ein Verschleiern des Profits und der willentliche Versuch der Auslöschung jener Substanz, die einen unglaublichen Reichtum und doch auch enorme unvorhersehbare Ungleichheiten hervorgebracht hatte.

Knobels Künstler*innenkritik setzt bei Kerstin Stakemeiers Annahme an, dass wir gezwungen sind, an der Aufrechterhaltung eines Systems abstrakter Wertgebungen teilzunehmen, in dem Rassismus als inkludierendes Vehikel für den Profit benutzt wird. Durch die eigenen Verwicklungen der Künstlerin eröffnet die Ausstellung einen ambivalenten Erinnerungsraum; einer, der uns mit der Beständigkeit des Andersartigen verbindet, gleichzeitig aber den Besucher*innen einige der Performanceeffekte vorführt, die unsere sozialen Beziehungen legitimieren.

TipTui – Performance Undercover wurde 2019 für den Zürcher Offspace Raum::station geschaffen.


Ausstellungsansicht TipTui – Performance Undercover, 2019, Raum::station. Foto: Esther Nora Mathis

Ausstellungsansicht TipTui – Performance Undercover, 2019, Raum::station. Foto: Esther Nora Mathis

Ausstellungsansicht TipTui – Performance Undercover, 2019, Raum::station. Foto: Esther Nora Mathis

Ausstellungsansicht TipTui – Performance Undercover, 2019, Raum::station. Foto: Esther Nora Mathis